Rosa L.:
Eine Sozialistin
ist stets eine Tote auf Urlaub
Geboren am 05.03.1871 in
Zamosc (Polen), ermordet am 15.01.1919 in Berlin. Die Gestalt der
Wissenschaftlerin, Sozialistin, Revolutionärin und emanzipierten Frau
Rosa LUXEMBURG fällt aus den üblichen schematischen Einteilungen, mit
denen man die Richtungen innerhalb der Arbeiterbewegungen zu
klassifizieren pflegt, heraus. Ihr Leben und Schaffen widerlegt manche
Vorurteile und ihre Verbindung von theoretischem Scharfsinn mit warmer
menschlicher Anteilnahme widerspricht dem Klischee vom "Geist als
Widersacher der Seele".
Rosa LUXENBURG (später
LUXEMBURG) wurde in einem kleinen Städtchen im damaligen Russisch-Polen
geboren. Sie stammte aus einer wohlhabenden Familie, die zu den
privilegierten jüdischen Bürgern gehörte, denen es erlaubt war, auch
außerhalb des "Ansiedlungrayons" zu wohnen. 1873 übersiedelte die
Familie nach Warschau, wo Rosa von 1880 an das "Zweite Warschauer
Mädchen-Gymnasium" besucht. Schon als Schülerin im Kontakt zu
oppositionellen sozialistischen Zirkeln, flieht sie - bald nach
Absolvierung des Gymnasiums - Anfang 1889 über die polnisch-deutsche
Grenze und nimmt im Wintersemester 1890/91 ein Studium an der
Universität Zürich auf. Neben ökonomischen Vorlesungen und Seminaren
besucht sie auch solche über "allgemeine Botanik" und "allgemeine
Zoologie". Interesse für die Tier- und Pflanzenwelt und tiefes
Mitgefühl mit der leidenden Kreatur wird sie ihr Leben lang
kennzeichnen. Engagement für die unterdrückten Klassen und Sorge für
Tiere sind für sie dabei nie Gegensätze, sondern einander ergänzende und
zueinander in Bezug stehende Haltungen. Während ihres Studiums nimmt sie
Verbindung zu anderen im Exil lebenden Landsleuten auf und wird bald
Mitglied der "Partei der Sozialdemokratie des Königsreichs Polen"
(später "Polens und Litauens"). In Zürich trifft sie auch ihren Mentor
und Freund Leo JOGISCHES, der eine Zeitlang mit ihr gemeinsam
Wirtschaftswissenschaften studiert. Von ihm lernt sie rasch Theorie und
Praxis der politischen Arbeit und bleibt ihm als Genossin lebenslang
verbunden, auch wenn die enge persönliche Bindung auf Grund des
Verhaltens von JOGICHES später verloren geht.
Emotional bleibt freilich
die kleine polnische sozialdemokratische Partei (die im Unterschied zur
größeren polnischen Partei betont internationalistisch ist) ihre Heimat.
Am 01.05.1897 promoviert Rosa LUXEMBURG mit einer Arbeit über "Die
industrielle Entwicklung Polens" magna cum lauda zum Dr. iur. publici et
rerum cameralium.
Um aktiv in der deutschen
Arbeiterbewegung tätig werden zu können, geht sie 1898 pro forma eine
Ehe mit Gustav LÜBECK ein (die 1903 geschieden wird), begibt sich im Mai
des gleichen Jahres nach Berlin und nimmt im Oktober bereits am
SPD-Parteitag in Stuttgart teil.
Ihre Absicht ist es, sich
"auf dem linken Flügel" der Partei zu engagieren. Schon 1899 erscheint
ihre erste größere Arbeit "Sozialreform oder Revolution", in der sie es
unternimmt, Eduard BERNSTEINs "Revisionismus" zu widerlegen. Dabei
beweist sie sich dem führenden Parteitheoretiker der SPD Karl KAUTSKY
als überlegen, der sich in erster Linie damit begnügt hatte, den
statistischen Zahlen BERNSTEINs andere Zahlen gegenüberzustellen. Rosa
LUXEMBURG weist im Unterschied dazu nach, dass es zwar - wie BERNSTEIN
behauptet hatte - immer wieder zu Neubildungen kleiner, selbständiger
Unternehmen kommt, dass diese jedoch immer kurzlebiger sind. Auch die
damals von KAUTSKY behauptete Verelendung will Rosa LUXEMBURG verstanden
wissen als eine immer größere Existenzunsicherheit, die durchaus mit
steigenden Reallöhnen für eine Periode der Hochkonjunktur vereinbar ist.
Ihr Buch und ihre Tätigkeit als Redakteurin der Leipziger Volkszeitung,
später auch des Vorwärts und der Neuen Zeit, machen sie bald über die
Grenzen der SPD hinaus bekannt. Als hinreißende Rednerin wird sie von
zahlreichen Ortsvereinen eingeladen. Besonders erfolgreich ist sie auch
bei der Wahlagitation in den zum Teil polnisch sprechenden Ostprovinzen.
Die Härte der Klassenauseinandersetzung und restriktiven Gesetze bringen
ihr immer wieder Geld- und Haftstrafen ein, so im Januar 1904 in Zwickau
zwei Jahre Gefängnis wegen "Majestätsbeleidigung".
Die zu einer Revolution
eskalierenden Massenstreiks in Russisch-Polen lassen ihr keine Ruhe,
Ende 1905 reist sie nach Thorn, Illowo, Mlava und Warschau, um als
Agitatorin an den Kämpfen teilzunehmen. Am 04.03.1906 wird sie in
Warschau verhaftet, im August gegen Kaution freigelassen, kehrt sie über
Finnland nach Deutschland zurück. Im Dezember 1906 wird sie zum zweiten
Mal zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt, diesmal wegen "Anreizung
verschiedener Klassen ... zu Gewalttätigkeiten".
Im "Auftrag des Vorstandes
der sozialdemokratischen Landesorganisation Hamburgs" verfasst sie einen
Bericht über die russische Revolution unter dem Titel "Massenstreik,
Partei und Gewerkschaften" (1906), in dem sie die Lehren für die
Strategie und Taktik einer proletarischen Revolution zieht. Ihre
wichtigste theoretische These lautet, dass ökonomische und politische
Kämpfe nicht prinzipiell voneinander geschieden sind, sondern ineinander
überzugehen pflegen: "... der ökonomische Kampf ist das Fortleitende von
einem politischen Knotenpunkt zum andern, der politische Kampf ist die
periodische Befruchtung des Bodens für den ökonomischen Kampf". Diese
These hängt eng zusammen mit Rosa LUXEMBURGs Auffassung von
proletarischer Demokratie, die 1903 in ihrer Kritik an LENINs
Parteikonzeption und noch einmal in ihrer kleinen Skizze über "Die
russische Revolution" zum Ausdruck kommt. In "Organisationsfragen der
russischen Sozialdemokratie" (1903) wendet sie sich entschieden gegen
LENINs Definition des Sozialdemokraten als eines "mit der Organisation
der klassenbewussten Arbeiter verbundenen Jakobiners". Damit werde ein
für die bürgerliche demokratische Revolution typisch gewesener
"Ultrazentralismus" auf die proletarische Revolution übertragen, für die
aber die Demokratie eine weit zentralere und fundamentalere Bedeutung
habe. Für die Arbeiterbewegung könne es nur einen "Selbstzentralismus"
geben, eine "gebieterische Zusammenfassung des Willens der aufgeklärten
und kämpfenden Vorhut der Arbeiterschaft ... ihren einzelnen Gruppen und
Individuen gegenüber". Die LENINsche Konzeption des Zentralismus erlaube
den Arbeitermassen keine "öffentliche Kontrolle ... über das Tun und
Lassen der Parteiorgane", an deren Stelle die Kontrolle "der
revolutionären Arbeiterschaft durch ein Zentralkomitee" trete. Was sich
hier "auf den Thron" setze, sei im Grunde "ein Verschwörerkomitee im
Namen eines nichtexistenziellen "Volkswillens"". Die Arbeiterklasse aber
müsse im Kampf selbst die Bewegungsgesetze ihrer Emanzipation lernen,
wozu auch das "Lernen aus eigenen Fehlern" gehöre, denn "Fehltritte, die
eine wirklich revolutionäre Arbeiterbewegung begeht", seien
geschichtlich "unermesslich fruchtbarer und wertvoller als die
Unfehlbarkeit des allerbesten "Zentralkomitees"".
Vom Herbst 1907 an war Rosa
LUXEMBURG als Dozentin an der Parteischule der SPD in Berlin tätig. Aus
dieser außerordentlich erfolgreichen Tätigkeit der engagierten Pädagogin
sind ihr wissenschaftliches Hauptwerk "Die Akkumulation des Kapitals"
1913 und die "Einführung in die Nationalökonomie" 1925 hervorgegangen.
Rosa LUXEMBURGs
Imperialismustheorie, die sie in ihrem Hauptwerk entwickelt hat, ist
umstritten. Sie basiert auf einer kritischen Deutung des zweiten Bandes
des "Kapitals" und geht von der Annahme aus, dass die kapitalistische
Produktionsweise nur wachstums- und damit lebensfähig ist, wenn sie sich
ständig in einen "nichtkapitalistischen Raum" hinein erweitert
reproduzieren kann. Nachdem die industrialisierten Gesellschaften daher
im Inneren weithin "durchkapitalisiert" sind, benötigen sie für ihr
Überleben nichtkapitalistische Gebiete außerhalb. Der Kampf um dieses
schrumpfende nichtkapitalistische Gebiet führt notwendig zum bewaffneten
Konflikt zwischen den solchergestalt imperialistische gewordenen
kapitalistischen Staaten. Militarismus und Marinismus sind daher kein
Zufall und auch keine Folge rückständigen, vorkapitalistischen Denkens -
wie Karl KAUTSKY gemeint hatte - sondern Ausdruck einer
Entwicklungsphase des Kapitalismus.
Weder ihre theoretischen
Schriften noch ihre journalistische und agitatorische Arbeit hindern
Rosa LUXEMBURG daran, auch auf den Parteikongressen der SPD und der
Internationale als Rednerin eine beachtete Rolle zu spielen. Sie nimmt
an den Kongressen der Internationale 1907 in Stuttgart, 1910 in
Kopenhagen und 1912 in Basel teil. Deprimiert kehrt sie im Juli 1914 von
einer Sitzung des Büros der Internationale in Brüssel heim, weil sie
erkennen muss, dass - namentlich bei den deutschen Genossen - kein
ernsthafter Wille zum Kampf gegen die drohende Kriegsgefahr mehr
vorhanden ist. Im Februar 1914 ist sie in Frankfurt zu einem Jahr
Gefängnis verurteilt worden, weil sie es gewagt hat, zum Widerstand
gegen einen drohenden Krieg mit Frankreich aufzurufen. Der Staatsanwalt
deutet diesen Appell als "Anstiftung zu dem Verbrechen der Meuterei",
während Rosa LUXEMBURG an einen kriegsverhindernden Generalstreik der
arbeitenden Frauen und Männer denkt. Der Haftantritt verzögert sich
durch Berufungsverfahren und Krankheit bis zum 31.03.1915. Von da an bis
zu ihrer Befreiung durch die Revolution am 09.11.1918 lebt Rosa
LUXEMBURG in verschiedenen Gefängnissen.
Dennoch gelingt es ihr
während dieser Zeit nicht nur in zahlreichen Briefen Gesinnungsgenossen
Trost und Ermunterung im Kampf zu spenden, sondern auch die Schrift "Die
Krise der Sozialdemokratie" von "Junius" zu verfassen. In dieser 1916 in
Zürich veröffentlichten Schrift setzt sich Rosa LUXEMBURG mit dem
"Umfall" der Reichtagsfraktion der SPD auseinander, die am 04.08.1914
den Kriegskrediten fast einstimmig ihr Votum gegeben hatte.
Seit 1871 waren die
deutschen Sozialdemokraten in der internationalen Arbeiterbewegung auf
Grund ihres Organisationsgrades, ihrer theoretischen Orientierung und
ihrer Stimmenstärke führend gewesen. Sie galten als "Lehrmeister" der
Arbeiterbewegung der übrigen Länder. Um so tiefer und bestürzender war
ihr Fall: "Nirgends ist die Organisation des Proletariats so gänzlich in
den Dienst des Imperialismus gespannt, nirgends wird der
Belagerungszustand so widerstandslos ertragen, nirgends die Presse so
geknebelt, die öffentliche Meinung so erwürgt, der wirtschaftliche und
politische Klassenkampf so gänzlich preisgegeben wie in Deutschland."
Nur die schonungsloseste Selbstkritik kann hier weiterhelfen, mit ihr
macht Rosa LUXEMBURG einen Anfang. Wenn die Erklärung der
Reichstagsfraktion der SPD davon spricht, sie "lasse das Vaterland in
der Stunde der Gefahr nicht im Stich", so haben für sie die führenden
Genossen gerade das durch ihren Verzicht auf eine kritische
Stellungnahme zum Krieg und auf eine Aufhellung der "wahren
Hintergründe" des imperialistischen Kampfes getan. Zwar hätten sie auf
Grund ihrer zahlenmäßigen Schwäche die Kredite nicht verhindern können,
wohl aber wäre der Eindruck vermieden worden, als handele es sich um
einen Krieg "der demokratischen Vaterlandsverteidigung". Der Krieg
bedeutet einen eklatanten Rückfall in Barbarei. Er dezimiert die
proletarischen Klassen der europäischen Kulturnationen, deren
"geschichtliche Mission" es ist, die "menschenbefreiende sozialistische
Revolution" auszulösen. "Noch ein solcher Weltkrieg und die Aussichten
des Sozialismus sind unter den von der imperialistischen Barbarei
aufgetürmten Trümmern begraben". "Die Dividenden steigen und die
Proletarier fallen. Und mit jedem sinkt ein Kämpfer der Zukunft, ein
Soldat der Revolution, ein Retter der Menschheit vom Joch des
Kapitalismus ins Grab."
An die Stelle der alten
Internationale, die am 4.08.1914 zu Grabe getragen wurde, muss eine neue
und mächtigere treten, die - nach Rosa LUXEMBURGs Auffassung - von
"unten auferstehen" muss und zu der die Arbeiter der führenden
europäischen Staaten sich vereinigen sollen.
Diese Einsicht drängt Rosa
LUXEMBURG schließlich dazu, die Gruppe Internationale, den Spartakusbund
und schließlich - zögernd - die Kommunistische Partei Deutschlands als
Hoffnungsträger jener Erneuerung der internationalen Arbeiterbewegung
mitzubegründen.
Während der zwei Monate in
Freiheit, die ihr noch vergönnt sind, veröffentlicht sie am 15.12.1918
das Programm des Spartakusbundes, nimmt zwischen dem 29. und 31.12.1918
am Gründungsparteitag der KPD teil und unterstützt - trotz schwerer
taktischer Bedenken - den Januaraufstand des Jahres 1919.
Am Abend des 15.01.1919 wird
sie wie ihr Gesinnungsfreund Karl LIEBKNECHT von einem Trupp Soldaten
verhaftet. Im Eden-Hotel, dem Hauptquartier eines Freikorps, wird sie
mit Hohn und Schmährufen empfangen und kurz "verhört". Dann wird sie in
einem Auto abtransportiert. Auf dem Transport wird sie umgebracht, ihr
Leichnam in den Landwehrkanal geworfen.
Zwei der von einem Gericht
überführten Täter erhielten zwei Jahre Gefängnis, die übrigen gingen
straffrei aus. Eine Mitschuld der Freikorpsführung und eine zumindest
indirekte Mitverantwortung der Regierung - namentlich Gustav NOSKEs (MSPD),
des Leiters des Militärressorts - kann kaum bestritten werden. Als die
von den Mördern verschleierte Wahrheit über den Tod Rosa LUXEMBURGs und
Karl LIEBKNECHTs schließlich ans Licht kam, war das Entsetzen auch in
Kreisen der Mehrheitssozialisten groß. Die Täter wurden in sogenannten
"nationalen Kreisen" bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hinein
als "Patrioten" gefeiert.
Bald nach dem Tode Rosa
LUXEMBURGs wurde durch eine Edition von "Briefen aus dem Gefängnis" die
ungemein anziehende Gestalt dieser Frau auch in Kreisen bekannt, die der
revolutionären Arbeiterbewegung ferner standen. Ihre besorgte
Anteilnahme am Schicksal der "draußen" in Freiheit Lebenden, ihre
Aufmerksamkeit für alles Leid ringsum und ihre zugleich belehrende und
fördernde Liebe zu Leo JOGICHES, Kostja ZETKIN und Hans DIEFENBACH kann
man jetzt aus einer umfassenden Briefsammlung ("Gesammelte Werke in fünf
Bänden", Berlin 1982 bis 1984) genauer kennen lernen. Als Leo JOGICHES
gegenüber der selbstbewussten, politisch selbständig gewordenen jungen
Frau den "Meister" herauszukehren versuchte, ging die enge persönliche
Bindung verloren. Die beiden blieben aber politisch als Kampfgenossen
der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei des Königsreichs Polen und
Litauen" weiterhin verbunden. In den Briefen an die beiden anderen
Freunde erfährt man viel über Rosa LUXEMBURGs literarische und
wissenschaftlichen Interessen und ihre persönlichen Zu- und Abneigungen.
In der Musik gehört ihre ganze Liebe BACH, MOZART, BEETHOVEN und Hugo
WOLF, in der Literatur GOETHE, SCHILLER, MÖRIKE, Gerhart HAUPTMANN, aber
auch den Russen TOLSTOI, Wladimir KOROLENKO und GORKI. Weder die
skandinavische noch die englische zeitgenössische Literatur sind ihr
fremd und mehr als einmal ist sie empört über die Engstirnigkeit ihrer
Genossen, die zum Beispiel die Größe TOLSTOIs nicht erkennen können.
Ihre große Liebe zur Tier-
und Pflanzenwelt lassen Rosa LUXEMBURG zuweilen ökologische
Gesichtspunkte vorwegnehmen, die uns erst seit kurzem geläufig sind. So
schreibt sie zum Beispiel an Sophie LIEBKNECHT: "Was ich lese?
Hauptsächlich Naturwissenschaftliches: Pflanzengeographie und
Tiergeographie. Gestern las ich gerade über die Ursachen des Schwindens
der Singvögel in Deutschland: Es ist die zunehmende rationelle
Forstkultur, Gartenkultur und Ackerbau, die ihnen alle natürlichen Nist-
und Nahrungsbedingungen: hohle Bäume, Ödland, Gestrüpp, welkes Laub auf
dem Gartenboden - Schritt für Schritt vernichten. Mir war so sehr weh,
als ich das las. Nicht um den Gesang für die Menschen ist es mir,
sondern das Bild des stillen, unaufhaltsamen Untergangs dieser wehrlosen
kleinen Geschöpfe schmerzt mich so, dass ich weinen musste. Es erinnert
mich an ein russisches Buch ... über den Untergang der Rothäute in
Nordamerika. Sie wurden genauso Schritt für Schritt durch die
Kulturmenschen von ihrem Boden verdrängt und einem stillen, grausamen
Untergang preisgegeben ..."
Das Geheimnis der stillen
Kraft dieser ungewöhnlichen Kämpferin kommt vielleicht nirgends
deutlicher zum Ausdruck als in einem Trostbrief an Luise KAUTSKY, in dem
die seit drei Jahren Inhaftierte schreibt: "Ich freue mich ja auch schon
so des Lebens, inspiziere jeden Morgen gründlich den Knospenstand auf
allen meinen Sträuchern, besuche jeden Tag ein rotes Marienkäferlein mit
zwei schwarzen Punkten auf dem Rücken, das ich seit einer Woche auf
einem Ast in einem warmen Verband aus Watte trotz Wind und Kälte am
Leben erhalte, beobachte die Wolken, wie sie stets neu und immer schöner
sind, und - fühle mich im ganzen nicht wichtiger als dieses
Marienkäferlein und in diesem Gefühl meiner Winzigkeit unaussprechlich
glücklich." An ihre Hausgehilfin schreibt sie noch knapper: "Man soll
arbeiten und tun, was man kann, im übrigen aber alles leicht und mit
gutem Humor nehmen." So gut sie es vermochte, hat sie sich selbst an
diese Maxime gehalten. Vermutlich hätte ihr aber die Definition
gefallen, die BRECHT vom Sozialismus gab: "Er ist das Einfache, das
schwer zu machen ist." Die "unerschöpfliche innere Heiterkeit", die sich
Rosa LUXEMBURG selbst zuschreibt, gab ihr die Kraft, für die
Emanzipation der Menschen, für alle Mühseligen und Beladenen zu kämpfen,
wobei sie auch die leidende außermenschliche Kreatur in ihren liebenden
Kampf mit einbezog.
Sie war wohl keine
engagierte "Feministin", aber gewiss eine völlig emanzipierte,
selbstbewusst liebende und kämpferische Frau. Es wäre kleinlich, ihr
mangelndes Engagement für ihre Geschlechtsgenossinnen vorzuwerfen. Für
das Wahlrecht der Frauen hat sie sich übrigens durchaus engagiert. Etwas
zu optimistisch meint sie schon 1902: "Auch in ihr politisches und
geistiges Leben müsste mit der politischen Emanzipation der Frauen ein
starker, frischer Wind hineinwehen, der die Stickluft des jetzigen
philisterhaften Familienlebens vertreiben würde, das so unverkennbar
auch auf unsere Parteimitglieder, Arbeiter wie Führer, abfärbt."
Iring FETSCHER
Hier über den Link
unten was
Google so findet
Rosa LUXEMBURG
und was in
Wikipedia steht
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